
Der Sohn (George MacKay) weiß alles über amerikanische Kultur und Geschichte, er baut sie nach auf einer Modellbahn-Anlage. Gesehen hat er die Welt außerhalb des Bunkers, in dem er vor zwei Jahrzehnten geboren wurde, allerdings nicht. Denn der Klimawandel hat die Erde ruiniert. Feuer wüten, die Menschheit stirbt aus. Die Geschichten des Vaters (Michael Shannon) und der Mutter (Tilda Swinton) vermitteln dem Sohn Orientierung und Werte. Dass sich der Vater, ein Ölmagnat, und die Mutter, eine Kunstsammlerin und ehemalige Ballerina, eine geschönte Biografie erfinden, die vieles auslässt, kann er höchstens vage ahnen. Hier unter der Erde im verlassenen Salzbergwerk hat man sich gern und alles, was man für ein gutes Leben braucht. Feste werden fröhlich gefeiert, es wird geschwommen und der Rettungseinsatz im Falle eines Brandes geübt.
Ein Arzt (Lennie James), ein Butler (Tim McInnerny) und die beste Freundin (Bronagh Gallagher) der Mutter, die als Köchin dient, komplettieren die eingeschworene Gemeinschaft, die ihre Zukunftsfähigkeit preist. Doch dann dringt eine junge Frau – das Mädchen ( Moses Ingram) – in den Bunker ein und fleht um Aufnahme. Schuldgefühle quälen sie, weil sie ihre Lieben verließ und weiß, dass sie nicht überlebt haben. Das Mädchen mischt die starre Harmonie der Familie gehörig auf, stellt unliebsame Fragen, lässt den Sohn gegen die Eltern aufmucken. Sieht dieses Familienprojekt nun seinem Ende entgegen?
- Originaltitel: The End
- Regie: Joshua Oppenheimer
- Drehbuch: Joshua Oppenheimer, Rasmus Heisterberg
- Darsteller*innen: Tilda Swinton, Michael Shannon, George MacKay, Moses Ingram, Bronagh Gallagher, Lennie James, Tim McInnerny
- Genre: Drama, Musical
- Produktionsland: Dänemark, Deutschland, Irland, Italien
- Produktionsjahr: 2024
- Länge: 148 Minuten
- Starttermin: 27.03.2025
Eine Filmkritik von Bianka Piringer
Gut gerüstet für die Zukunft

Solange es einem selbst und der eigenen Familie gutgeht, scheint die Zukunft gesichert zu sein. Die Menschen in diesem Spielfilm, die sich seit der ökologischen Apokalypse in einem luxuriösen Bunker verschanzen, pflegen Werte und Verhaltensweisen, die auch das Publikum kennt. Der Regisseur Joshua Oppenheimer („The Act of Killing“) hat diese bunte und sehr kreative Fantasie über den Rückzug ins Private und das Schönreden der eigenen Wirklichkeit in die Form eines Musicals gekleidet. Die Charaktere huldigen, auch wenn sie nicht gerade singen, einem naiven, zukunftsgläubigen Optimismus.
Diesen halten sie nicht immer durch, obwohl sie sich so sehr bemühen, ihre schlafraubenden Ängste in Schach zu halten. Nachdem das Mädchen hereingeschneit ist, kommt Unruhe auf. Der verliebte Sohn interessiert sich auf ganz neue Weise für die Fragen des Lebens und ist emotional wie geistig nicht mehr so abhängig von den Worten seiner Eltern. Diese geraten, auch unter dem Einfluss der von Schuldgefühlen und Trauer geplagten fremden Frau, aus dem Gleichgewicht. Alles, was sie verdrängt haben, dringt stürmisch an die Oberfläche.
Voller Widersprüche
Dieser sehr originelle Film wirkt spannend, weil sein Inhalt voller Widersprüche und Ungereimtheiten steckt. Michael Shannon und Tilda Swinton sind die ideale Besetzung für das schräge, tonangebende Elternpaar. Zu Silvester kostümieren sich alle, der Frohsinn regiert, und überhaupt gratulieren sich alle nach jeder Feier für ihr Gelingen. Für die Nerven gibt es dann Medikamente vom Arzt im Haus, für die Fitness das Schwimmbad. Der liebevolle Umgangston kaschiert die eigenen Egoismen, das moralische Versagen andernorts. Wenn sich die Familie in den Weiten des Stollens die Beine vertritt, blickt sie in einen dunklen Schacht. Wie der Film das alles zusammenführt, auseinanderstreben lässt, wirkt gar nicht rund. Vielmehr lädt er förmlich zum Nachfragen, Mitinterpretieren ein. So viel ungefiltert anmutende Kreativität gibt es im Kino nicht alle Tage zu sehen.