
Es lief 20 Jahre lang scheinbar gut. Sandrine (Charlotte Gainsbourg) und Christophe (José Garcia) sprachen sich über die zu erledigenden Dinge im Familienalltag oft nur mittels Telefon- und Textnachrichten ab. Nun steht der Auszug von Sohn Bastien (Hadrien Heaulmé), der studieren wird, bevor. Und Tochter Loreleï (Lily Aubry) hat auch nicht mehr lang bis zum Abitur. Sandrine ist schon lange abwechselnd gereizt und den Tränen nahe, bei der Arbeit im Reisebüro fällt es unangenehm auf. Sandrine nimmt sich ein Herz und weiht ihre beiden Kinder in ihre Absicht ein, sich von Christophe zu trennen. Aber sie sollen ihr versprechen, ihr das nicht übel zu nehmen und sie weiterhin lieb zu haben.
Als der Kfz-Mechaniker Christophe wie aus heiterem Himmel erfährt, dass Sandrine ihn verlassen will und die Kinder schon eingeweiht sind, reagiert er wie üblich aufbrausend. Aber hat er eine Wahl? Einen letzten Versuch, Sandrine umzustimmen und die Familie zusammenzuhalten, will er sich nicht nehmen lassen. Er überrascht alle mit der Einladung zu einer dreitägigen Reise. Sie soll zu den Orten führen, die mit der Geschichte des Ehepaars verbunden ist: die erste gemeinsame Wohnung, die Bank, auf der Christophe den Heiratsantrag machte usw. Christophe verspricht, dass er sich nach dieser Reise zu viert nicht gegen die Scheidung sträuben wird, falls Sandrine sie dann trotzdem noch will.
- Originaltitel: Nous, Les Leroy
- Regie: Florent Bernard
- Drehbuch: Florent Bernard
- Darsteller*innen: Charlotte Gainsbourg, José Garcia, Lily Aubry, Hadrien Heaulmé
- Genre: Komödie
- Produktionsland: Frankreich
- Produktionsjahr: 2024
- Länge: 102 Minuten
- Kinostart: 19.12.2024

Eine Filmkritik von Bianka Piringer
Was soll Mann tun, wenn die Flamme der Liebe bei der Ehefrau nach 20 gemeinsamen Jahren erloschen ist? Ein Roadtrip mitsamt den großen Kindern zu den Orten, die untrennbar mit der Geschichte der Beziehung verbunden sind, ist Christophes rettende Idee. Doch dieser dreitägige Ausflug zu viert entwickelt sich zu einem regelrechten Anti-Urlaub, mit schäbiger Unterkunft und durchwachsenen Unternehmungen. Man ist ja hier nicht in einem Hollywoodfilm. An Pleiten und Enttäuschungen fehlt es auf Christophes Tour nicht. Schon die Besichtigung der ersten gemeinsamen Wohnung des Paars wird zu einem zweifelhaften Abenteuer mit Fluchtaction. Regisseur und Drehbuchautor Florent Bernard versteht es, Realitätsnähe und Authentizität mit viel Sinn für Humor zu verbinden.
Aber ist es nicht auch schön, auf einem Spielplatz die Bank wiederzufinden, in die Christophe einst seinen Heiratsantrag an Sandrine graviert hatte? In der schnöden, alles andere als weltbewegenden Szenerie steckt tatsächlich auch etwas Rührendes. Der 18-jährige Sohn und die 16-jährige Tochter erleben auf diesem von Ödnis durchzogenen Trip auch die kostbaren Momente. So erinnern sich Sandrine und Christophe lebhaft an ihre geteilte Leidenschaft fürs Briefeschreiben, debattieren darüber, wie sie sich gegenseitig wahrnahmen und interpretierten. Die Kinder beginnen, auch mal zu lächeln und die Eltern als Paar, das sich einst sehr nahe war, zu erleben. Sie merken, dass es Wurzeln gibt und eine Zusammengehörigkeit, die sie auch stärkt. Das kann sogar aktuell der Fall sein in der ziemlich negativen Begegnung mit einem Straßenkünstler.
Charlotte Gainsbourg spielt Sandrine sehr glaubhaft als Frau, die um Haltung ringt und sich bemüht, inneren Abstand zu gewinnen. José Garcia stellt Christophe als tonangebenden, aufbrausenden Mann dar, der mit der eigenen Hilflosigkeit schlecht umgehen kann. Köstlich ist die Szene mit dem Karaoke-Gesang, der entlarvend wütend ausfällt. Christophe erwacht in einer neuen Zeit, die aus jahrzehntelangen Versäumnissen geformt wurde. Aber mit seinem Trip signalisiert er auch den Kindern, die er chronisch vernachlässigt hatte, dass er sie auf neue Weise wahrnehmen will. Bastien und Loreleï machen anfangs den Eindruck, als würden sie widerstrebend mitgezogen zu dieser Reise, doch sie erfahren eine lang vermisste Nähe, die sie weiterbringt. Es gibt viel zu lachen in diesem im Grunde aber doch dramatischen Film, der die Dinge nicht auf die leichte Schulter nimmt. Viele Situationen haben einen hohen Wiedererkennungswert, weil sie zum Leben gehören, beispielsweise schon die Erinnerung, wie fad und unspektakulär Unternehmungen mit der Familie für Kinder – und nicht nur für sie – sein können. Und dass aber inmitten dieses gedimmten Gefühls auch gegenseitige Zuneigung und Wertschätzung wachsen, einfach, weil man Zeit miteinander verbringt. Wer diesen ideenreichen Film anschaut, muss nicht befürchten, seine Zeit mit hohler Unterhaltung zu vergeuden.