
Zu Anfang der 1860er Jahre ist die Besiedelung des amerikanischen Westens in vollem Gange. Manche Siedlungswillige zieht es in den Südwesten. Dort soll es, einem Plakat mit dem Titel „Horizon“ zufolge, im Tal des San-Pedro-Flusses fruchtbares Land zum Kaufen geben. Die Ankömmlinge stellen ihre Zelte auf, errichten erste Häuser. Doch sie wissen nicht, dass die Kavallerie an diesem Ort im Territorium der White-Mountain-Apachen keinen Schutz bietet. Die Apachen greifen die Siedlung an und töten viele Menschen. Die einzigen Überlebenden der Familie Kittredge sind die Witwe Frances (Sienna Miller) und ihre Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail). Ein Junge alarmiert die Kavallerie des nächsten Militärstützpunkts. Leutnant Trent (Sam Worthington) und seine Männer eskortieren die Überlebenden zur Siedlung am Fort Gallant.
- Originaltitel: Horizon – An American Saga Chapter 1
- Regie: Kevin Costner
- Drehbuch: Jon Baird, Kevin Costner
- Darsteller*innen: Kevin Costner, Sienna Miller, Sam Worthington, Luke Wilson, Owen Crow Shoe, Ella Hunt, Tom Payne
- Genre: Western
- Produktionsland: USA
- Produktionsjahr: 2024
- Länge: 181 Minuten
- Kinostart: 22.08.2024
- Video und Stream: ab 5.11.2024 digital zum Kaufen bei verschiedenen Anbietern. Ab 29.11.2024 im Handel auf 4K-UHD-Blu-ray, Blu-ray und DVD, digital zum Leihen erhältlich
In Montana Territory oben im Norden schießt eine Frau (Jena Malone) auf das Oberhaupt der berüchtigten Sykes-Familie und flieht mit dem gemeinsamen Baby. Die Söhne des Opfers folgen ihr, um Rache zu üben und spüren sie in einer Bergbausiedlung in Wyoming Territory auf. Dort ist gerade der Pferdehändler Hayes (Kevin Costner) angekommen, der einen der gewalttätigen Sykes-Brüder erschießt. Er flieht mit der Prostituierten Marigold (Abbey Lee) und dem verwaisten Baby, denn er weiß, dass der andere Bruder und seine Leute sie verfolgen werden. Im Süden jagen einige Siedler Apachen, um sich für den Überfall zu rächen und um mit ihren Skalps Geld zu verdienen. Der Häutlingssohn Pionsenay (Owen Crow Shoe) verlässt mit anderen Apachen das Dorf seines Vaters, um gegen seinen Rat die Siedler zu bekämpfen.Die Siedlertrecks aber werden, so prophezeien es erfahrene Kavalleristen, nicht aufzuhalten sein. Auf dem Santa-Fe-Trail im Westen von Kansas ist eine Planwagenkolonne unterwegs. Ihr Anführer, Captain Matthew (Luke Wilson), ärgert sich über ein gebildetes und anspruchsvolles britisches Paar (Ella Hunt, Tom Payne), das nicht mithilft und Wasser verschwendet. Es entstehen Spannungen in der Gruppe, die auch Überfälle von Indianern fürchten muss.

Eine Filmkritik von Bianka Piringer
Exemplarische Geschichten über die Besiedelung
Der Schauspieler und Regisseur Kevin Costner („Der mit dem Wolf tanzt“) hat sein neues Western-Epos „Horizon“ als vierteiliges Werk von jeweils drei Stunden Dauer konzipiert. Der erste Teil, der auf den Filmfestspielen 2024 in Cannes uraufgeführt wurde und nun in die deutschen Kinos kommt, spielt nach einem kurzen Prolog zu Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Costner will mit seinem Epos nichts Geringeres als die Eroberung des amerikanischen Westens anhand fiktionaler Beispiele erzählen.
Und so kommt im häufigen Wechsel der Schauplätze thematisch fast alles vor, was zu dieser Historie und natürlich auch zum Western-Genre gehört: die blutigen Kämpfe gegen die Ureinwohner, die ihr Land verlieren, die wehrhaften Siedler und Siedlerinnen, Kavalleristen, mörderische Outlaws, profitgierige Händler und Glücksritter. Frauen werden nicht immer gut behandelt, sondern mitunter Opfer brutaler Gewalt.
Zu den Charakteren gehören erstens die Ehrbaren wie beispielsweise der Einzelgänger Hayes, die Witwe Frances und ihre Tochter, der Kavallerie-Leutnant Trent. Costner spielt häufig mit Klischees, wie sie nicht nur im Western vorkommen, wenn es um Rechtschaffenheit, gute Manieren und Familiensinn geht. Man sieht ältere Leute wohlwollend lächeln, wenn sich jüngere romantisch anhimmeln. Eine Gemeinschaft von Siedlern wächst im Apache-Gebiet im Südwesten zusammen.
Manche Szenen wirken geradezu ins Liebliche verkitscht, als stammten sie aus einer netten alten Familienserie, und im Abspann ist das gefühlslastige Lied „Amazing Grace“ zu hören. Es fällt aber zweitens auf, dass auch traditionell eher zwielichtige Figuren wie eine Prostituierte differenziert gezeichnet werden können. Der Dreck, das Elend vieler Leute in armseligen Bergbausiedlungen werden gezeigt. Eine dritte Gruppe von Charakteren bilden skrupellose Revolverhelden und Kriminelle. Die Raffgier und Gewalttätigkeit mancher Neuankömmlinge bilden einen starken Kontrast zu den positiven Gestalten. Gespart wird auch nicht an blutigen Kampfszenen, deren schonungslose Darstellung ein wenig wie ein Zugeständnis an moderne Filme und Sehgewohnheiten wirkt. Die grimmigsten Szenen zeigen in aller Ausführlichkeit den Überfall der Apachen auf ein Haus, in dem sich Menschen verschanzen, die mehrheitlich keine Chance haben. Mit solcher Action wiederum kontrastieren sehr viele langatmige Dialogszenen, die jeglichem Zeitgefühl enthoben scheinen. Ist es so, dass sich ein Mann wie Hayes minutenlang mit einem widerlichen Kerl unterhalten würde, während er schon weiß, dass er gleich die Waffe zücken muss? Es bleibt Costners Geheimnis, warum er an jeder zweiten Ecke Menschen zu einem Plausch hinstellt, als wäre das ihr eigentliches Hobby.
Das Unrühmliche wird nicht ausgespart
Im Zentrum stehen die Neuankömmlinge, wenngleich Costner auch diesmal daran gelegen ist, das Unrecht, das den Ureinwohnern widerfahren ist, klar zu schildern. Im Presseheft wird er wie folgt zitiert: „Unsere Historie ist tragisch. Sie ist peinlich. Sie ist beschämend.“ Und weiter: „Die Siedler verdrängten die indigenen Einwohner, rotteten die Angehörigen der rund 500 Indianervölker fast aus. Das ist die Wahrheit.“ Unter den Darsteller*innen der Apachen – die übrigens in ihrer athabaskischen Sprache sprechen – sind auch Wasé Chief, die Tochter des Mitbegründers des American Indian Movements AIM, Dave Yakima Chief, undTatanka Means, der Sohn von Russell Means, welcher als AIM-Aktivist und Sprecher mit der Besetzung von Wounded Knee in den 1970er Jahren berühmt wurde. Das Schicksal der Ureinwohner spielt hier aber nicht die Hauptrolle und es wirkt auch ein wenig schade, dass es in diesem Film, auch in den Gesprächen der Filmfiguren, als besiegelt dargestellt wird, so als wäre dieser geschichtliche Verlauf quasi unvermeidlich gewesen. Zumindest in diesem ersten Teil geht es auch nirgends um gebrochene Verträge. Die Landnahme durch die Neuankömmlinge wird als eine Art Selbstbedienung geschildert, wobei der erste oder findigste das größte Geschäft macht, falls er nicht vorher von Indianern getötet wird.
Costner ist mit dem ersten Teil der „Horizon“-Saga weder bei der internationalen Filmkritik besonders gut angekommen, noch war er an den Kinokassen in den USA erfolgreich. Dieser so viele Themen und Aspekte umspannende Erzählbogen mit seinen verschiedenen Schauplätzen geht zulasten der einzelnen Charaktere. Sie können nicht so vertieft, nicht so detailliert betrachtet werden, wie das in den Western geschieht, die sich nur um eine kleine Gruppe von Personen drehen. So kommt man den Charakteren bei Costner auch nicht wirklich nahe – aber das kann sich ja in den nächsten Teilen ändern. Man darf gespannt sein, ob die ehrgeizige und an sich auch sorgfältig gestaltete Saga ihr inneres Zentrum, ihre eigene Handschrift noch deutlicher findet.