Französische Komödie "Was ist schon normal?" Die Gruppe kommt am Ferienort an©SquareOne Entertainment

Die Leute, die in den Reisebus steigen wollen, um in die Sommerferien zu fahren, sind den Ärger gewöhnt. Der Behindertenparkplatz vor dem Heim ist wieder besetzt. Der Abschleppdienst kommt und die beiden Einbrecher, die mit ihrer Beute aus einem Juwelierladen zum Auto flüchten, stellen fest, dass es weg ist. Die Reisegruppe wartet noch auf einen unbekannten Passagier, der sich verspätet. Kurzerhand erklärt der Vater (Clovis Cornillac) aus dem Ganovenduo seinen Sohn Paulo (Artus) für behindert und gibt sich als seinen Betreuer aus. Sie steigen ein und es geht los, in die Berge zu einer einsamen Pension, wo die Polizei die Diebe sicher nicht vermuten wird.

  • Originaltitel:Un p’tit truc en plus
  • Regie: Artus
  • Drehbuch: Artus, Clément Marchand, Milan Mauger
  • Darsteller*innen: Artus, Clovis Cornillac, Alice Belaïdi, Marie Colin, Théophile Leroy, Arnaud Toupense, Ludovic Boul, Stanislas Carmont, Gad Abecassis, Céline Groussard
  • Genre: Komödie
  • Produktionsland: Frankreich
  • Produktionsjahr: 2024
  • Länge: 99 Minuten
  • Kinostart: 05. 09. 2024

Paulo gibt sich Mühe, eine geistige Behinderung zu markieren, aber Arnaud (Arnaud Toupense), sein Zimmergenosse in der Pension, durchschaut das Schauspiel. Paulo sagt ihm also die Wahrheit und Arnaud verspricht, sein Geheimnis zu wahren. Die engagierte Betreuerin Alice (Alice Belaïdi) hat mit ihrem neuen Schützling, dem sie Herzklopfen bereitet, wenig Probleme. Paulo lebt sich rasch in der Gruppe ein und findet Freunde. Er erlebt so entspannte, fröhliche Tage wie schon lange nicht mehr. Sein Vater aber möchte so schnell wie möglich weg und telefoniert angespannt mit seinem Kontaktmann. Die Behinderten gehen ihm ganz schön auf die Nerven, vor allem der lange Baptiste (Théophile Leroy), der mit ihm Fußball spielen möchte. Aber als angeblicher Betreuer sieht er sich schon bald in den Alltag eingespannt. Seine Ideen, was man außer dem gewohnten Malen und Meditieren noch anstellen könnte, finden bei den Schützlingen großen Anklang. Wann wird die Gruppe erfahren, wer die beiden wirklich sind?

Eine Filmkritik von Bianka Piringer
Ferien wie noch nie

Das hätten sich die beiden Juwelendiebe nicht träumen lassen! Um der Polizei zu entkommen, tauchen sie in einer Gruppe geistig behinderter Menschen unter, die aufs Land in die Ferien fährt. Doch dann merken sie, dass es von dort so rasch kein Entkommen gibt. Sie müssen ihre Rollen als Behinderter und Betreuer spielen und sich auf die kontaktfreudigen Miturlauber*innen einlassen. Das holt beide aus ihrer Komfortzone, aber das bunte Chaos, in das sie sich versetzt fühlen, hat auch eine entspannende Wirkung. Arnaud, Baptiste und die anderen Menschen mit Behinderung sind markante Individuen, aber herzlich und liebenswürdig. Diese Sommerfrische wird für alle zu einer wirklich neuen Erfahrung. Denn Begegnungen setzen Veränderungen in Gang, können beflügeln und erweitern den Horizont. Mit ihrem Ensemblespiel wirkt die quicklebendige Komödie so natürlich und leicht, dass man sich an die Ausgelassenheit fröhlicher Sommertage in der Kindheit erinnert fühlt.

Dem französischen Comedian Artus, der auch in der Rolle des Ganoven Paulo zu sehen ist, gelang mit diesem Regiedebüt ein riesiger Überraschungshit. In Frankreich lockte er bereits rund zehn Millionen Menschen in die Kinos. Wenn ein Film eine solche Begeisterung auslöst, spricht das so deutlich für ihn, dass es auf die Meinung und die eventuellen Mäkeleien professioneller Filmkritiker*innen gar nicht mehr ankommt.

Ein munteres Ensemble

Artus und seine beiden Co-Autoren Clément Marchand und Milan Mauger machen beim Drehbuch im Grunde alles richtig. Die Witze speisen sich natürlich aus der Irritation, die Paulo und sein Vater erleben, wenn sie von den Menschen mit geistiger Behinderung angesprochen werden. Der eine will mit unter die Dusche, der andere darf nicht am Oberkörper berührt werden. Paulos Zimmergenosse möchte der Frau, in die er verliebt ist, zum Geburtstag etwas schenken und verlangt dringend Unterstützung. Man kennt es aus anderen Komödien, in denen ein schnöseliger oder egoistischer Zeitgenosse auf behinderte Menschen trifft, die sich seinen Erwartungen an richtiges Verhalten widersetzen: Die Witze bewegen sich auf einem schmalen Grat. Denn einerseits sollen sie die Vorurteile Nichtbehinderter spiegeln, ihre schiere und peinliche Ratlosigkeit im Kontakt mit Leuten, die sich anders verhalten. Andererseits sollen sich die Witze nicht auf diskriminierende Weise über Behinderungen lustig machen. Oft wirken solche Komödien allerdings plump und ihr Humor grenzwertig. Hier wird man positiv überrascht. Zwar gibt es deftigen Humor, Slapstick und peinliche Situationen zuhauf, aber die filmische Perspektive wirkt nicht aufgesetzt, gönnerhaft oder moralisch belehrend.

Oft geschehen mehrere Dinge gleichzeitig, Alices Schützlinge fallen sich gegenseitig ins Wort, die Aufmerksamkeit mäandert lebhaft von einem Thema zum nächsten. Die Betreuer*innen werden auf Trab gehalten, aber mit Paulo und seinem Vater erkennen allmählich auch die Zuschauenden, dass es nicht schlimm ist, wenn die Dinge auf kaum kalkulierbare Weise ständig in Bewegung sind. Die perfekte Ordnung und Harmonie mag es vielleicht anderswo geben – hier können Alice und die anderen gut auf solchen Ehrgeiz verzichten. Mit Paulo und sogar seinem oft mürrischen Vater erlebt man so etwas wie Vorfreude auf den nächsten Tag, möchte sich mit ihnen entspannt und neugierig die Frage stellen, „Und was machen wir jetzt?“ Nur weil dieses Ensemble, zu dem auch viele Laiendarsteller*innen mit Behinderung zählen, so viel Vergnügen bereitet, heißt es nicht, dass der Film keine tiefere Erkenntnis anstößt. Das gelingt ihm durchaus, indem er das Herz berührt und mühelos demonstriert, wie bereichernd es für beide Seiten sein kann, wenn Menschen mit und ohne Behinderung in Kontakt treten.

Was ist schon normal?
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