
Marielle (Laeni Geiseler) hat mit einer Mitschülerin gestritten und von ihr eine Ohrfeige kassiert. Auf einmal besitzt sie eine unheimliche Fähigkeit, wegen der ihre Mutter Julia (Julia Jentsch) sie ärztlich untersuchen lässt. Marielle kann nun alles sehen und hören, was die Eltern machen – egal, wo sie sich gerade aufhalten. So entgeht ihr nicht, dass Julia mit einem Arbeitskollegen geflirtet hat und sich mit ihm auf ein baldiges sexuelles Abenteuer freut. Auch weiß sie, dass ihr Vater Tobias (Felix Kramer) lügt, wenn er daheim erzählt, wie er seinen Widersacher Sören (Moritz Treuenfels) im Verlag in die Schranken gewiesen hat. In Wahrheit ist Tobias bei der Vorstellung eines Buchcovers vor Sörens Einwänden eingeknickt.
Julia und Tobias erkennen wegen Marielles detaillierten Schilderungen rasch, dass Leugnen zwecklos ist. Nun müssen sie höllisch aufpassen, was sie tun und sagen. Die bislang augenscheinlich funktionierende Beziehung kommt in die Krise und Julia erträgt es besonders schlecht, keine Privatsphäre mehr zu haben. Auch Marielle ist mit ihrer Fähigkeit nicht glücklich. Was soll geschehen?
- Originaltitel: „Was Marielle weiß“
- Regie: Frédéric Hambalek
- Drehbuch: Frédéric Hambalek
- Darsteller*innen: Julia Jentsch, Felix Kramer, Laeni Geiseler, Moritz Treuenfels, Mehmet Ateşçi, Sissy Höfferer
- Genre: Drama
- Produktionsland: Deutschland
- Produktionsjahr: 2025
- Länge: 87 Minuten
- Starttermin: 17. April 2025
Keine Geheimnisse mehr!
Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Wünscht sich nicht jedes Kind, zu wissen, was Mutter und Vater so reden und machen, wenn sie sich vom Nachwuchs unbeobachtet fühlen? Umgekehrt aber kann mit Sicherheit behauptet werden, dass es ein elterlicher Albtraum wäre, keine Geheimnisse mehr vor dem eigenen Kind zu haben! In diesem originellen Spielfilm des Regisseurs Frédéric Hambalek besitzt eine pubertierende Tochter aber eine solche zweifelhafte und von der Natur nicht vorgesehene seherische Fähigkeit. Die Miene der Jugendlichen signalisiert, dass die neue Gabe sie durchaus belastet. Denn nun weiß sie, quasi von einem Tag auf den anderen, dass ihre Eltern nicht nur sie anflunkern, sondern sich auch gegenseitig belügen. Hambaleks spannender Film lief im Wettbewerb der Berlinale 2025.
Eine Familie in der Krise
Es findet sich keine medizinische Ursache für Marielles Supergabe. Somit sorgt sie als reizvolles surreales Element für eine konstante Irritation in der ansonsten im bieder unspektakulären Alltagsleben verhafteten Geschichte. Marielles Veränderung spielt aber auch auf das Phänomen Pubertät an. Sie erlebt die Entzauberung der Eltern, stößt sie vom Podest ihrer Bewunderung. Marielle weiß, dass sie Vater und Mutter nichts mehr glauben kann: Wie ist es um ihre eheliche Liebe wirklich bestellt, wenn die Mutter fremdgehen will? Die Eltern wollen sich keineswegs damit abfinden, dass die Tochter mithört, sobald sie den Mund aufmachen. Es findet eine bedrohliche Rollenumkehr in der Familie statt und die Ehe selbst verträgt es auch schlecht, wenn es keine Rückzugsgebiete, keine Geheimnisse mehr gibt.
Dezente Komik
Das unaufgeregt gefilmte, witzige Drama lebt von den schauspielerischen Leistungen. Im ernsten Gesicht von Julia Jentsch tauchen leichte Sorgenfalten auf – es ist nicht klar, ob sie Angst um die Tochter oder vor ihr hat. Jentsch spielt die emotional zurückhaltende, etwas kühl wirkende Filmfigur Julia sehr glaubhaft. Es ist ihr anzumerken, wie es in ihr arbeitet und sie sich als Mutter plötzlich gefordert fühlt.
Felix Kramer spielt Tobias als etwas unsicheren Mann, der die neue Lage als Herausforderung begreift, selbstbewusster aufzutreten. Dezente Komik durchzieht die Geschichte, wenn nicht alles klappt wie gewünscht. Laeni Geiseler stellt Marielle als sensibles, nachdenkliches Mädchen dar. Sie wird wiederholt in Großaufnahme in einem in wechselnde Farbtöne getauchten Bild gezeigt, wie eine Erleuchtete. Marielle könnte gerade etwas vernehmen, vielleicht aber verharrt sie auch nur ratlos und wartet auf Orientierung. Diese interessante Geschichte bleibt bis zum Schluss rätselhaft, wirkt mit ihren Beziehungsthemen aber zugleich lebensnah und regt somit zu eigenen Interpretationen an.