
Die Maklerin Isabell (Nina Hoss) begleitet ihre Eltern zu einem Besuch in deren Sommerhaus in Brandenburg. Der Vater hatte das modernistische Haus als Architekt selbst entworfen, doch nun ist er wegen eines Schlaganfalls schon seit geraumer Zeit auf Pflege angewiesen. Isabell muss sich immer öfter kümmern, neue 24-Stunden-Pfleger aus Polen finden für den Vater, der mit der Mutter in der gemeinsamen Berliner Wohnung lebt. Isabells französischer Ehemann Philippe (Vincent Macaigne) lässt den geplanten Urlaub am Flughafen platzen, die Ehe scheint vor dem Aus zu stehen.
Isabell ist oft allein im Sommerhaus und lernt die junge Anja (Saskia Rosendahl) kennen, die mit ihrer kleinen Tochter Greta im Dorf lebt. Anja verliert ihren Job als Küchenhilfe, nimmt einen neuen in einer Bowlinghalle an. Greta ist sich selbst überlassen und stromert mit zwei anderen Kindern durch den Ort, aus Langeweile zu Streichen aufgelegt. Isabell und Anja laufen sich wieder über den Weg, lernen sich näher kennen – und mögen. Können sie sich gegenseitig helfen, aus der alltäglichen Überforderung herauszufinden?
- Originaltitel: „Zikaden“
- Regie: Ina Weisse
- Drehbuch: Ina Weisse
- Darsteller*innen: Nina Hoss, Saskia Rosendahl, Vincent Macaigne
- Genre: Drama
- Produktionsland: Deutschland
- Produktionsjahr: 2025
- Länge: 99 Minuten
- Kinostart: 19.06.2025

Eine Filmkritik von Bianka Piringer
Ein Sommer der Veränderung
Es ist Sommer in Brandenburg. Auf der Wiese vor dem Haus zirpen die Zikaden. Doch die beiden Frauen, die sich in der von Wald und Flur umgebenen Siedlung über den Weg laufen, haben kaum Zeit für Muße. Obwohl sie unterschiedlich gebildet und verschiedenen Alters sind, eint sie ein unausgesprochener Wunsch. Sie wollen durchatmen und mit einer Gleichgesinnten, die nichts fordert, kleine Inseln der Entspannung finden. Der dritte Spielfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin Ina Weisse („Der Architekt“, „Das Vorspiel“) erzählt von zwei Frauen, die kaum mehr wissen, wie sie ihren familiären Verpflichtungen nachkommen sollen. Ihre Ungewissheit, ob und wie lange sie sich über Wasser halten können, sorgt für eine spannungsgeladene und spröde Atmosphäre. In ihr schwingt aber auch die Sehnsucht nach eigenem, freiem Ausprobieren mit.
Häusliche Pflege als Krisengebiet
Ein wichtiges Thema des Films ist der Pflegenotstand, mit dem sich viele Kinder hilfsbedürftiger Eltern herumschlagen müssen. Isabells Vater will in seiner gewohnten Umgebung bleiben, im Arbeitszimmer seine alten Architektenpläne durchgehen. Die Mutter ruft oft verzweifelt bei Isabell an, weil die polnischen Pfleger ausfallen oder es sonst ein Problem gibt.
Die Männer, die Isabell auftreibt, haben keine entsprechende Ausbildung, können schlecht Deutsch, wirken nicht sonderlich motiviert, aber ohne sie geht gar nichts. Der Vater will das Sommerhaus in Brandenburg nicht verkaufen, obwohl Isabell sagt, dass sie sich nicht um Reparaturen kümmern könne. Oft sitzt sie im Auto, von einem Domizil zum anderen, von den Eltern zu ihrem, mehr oder weniger brachliegenden Leben.
Eine undurchsichtige junge Frau
Das zweite Thema ist die Not einer alleinerziehenden jungen Mutter, die in der Provinz gestrandet ist und Arbeit und Kinderbetreuung nicht wirklich unter einen Hut bringen kann. Saskia Rosendahl spielt Anja als geheimnisvolle Frau, die sehr forsch ins Leben Isabells treten kann, ohne viel von sich preiszugeben. Sie ist unbeholfen, ungelenk, aber voller Lebenshunger. Die vielen Hürden, die sich vor ihr auftun, will sie in Gedanken am liebsten überspringen. Isabell, von Nina Hoss nachdenklich und introvertiert, beherrscht gespielt, scheint manchmal perplex zu fürchten, dass Anja einen Plan verfolgt. Dann aber wieder lässt sie sich auf die junge Frau ein, lädt sie zu einem Getränk oder zum Abendessen ein.
Diese gewisse Leichtigkeit
Weisses Film ist von einer gewissen Offenheit und Leichtigkeit durchströmt, die ein Gegengewicht zum Alltagsstress bildet, der auf den beiden Frauen lastet. Die beiden Schauspielerinnen hatten vorgegebene Dialoge, das Kind Greta und Weisses Eltern, welche Isabells Eltern spielen, aber nicht. Auf ihre Improvisationen reagierten Isabell und Anja wiederum frei. Die beiden Frauen sind in ihrem Leben in einem Prozess der Veränderung. Sie wollen sich selbst und einander vertrauen, aber eine neue Bekanntschaft bedeutet auch, sich auf Unsicheres einzulassen, eigene Deutungsmuster ein Stück weit zu lockern. Obwohl Weisse ein paar Nebenhandlungen zu viel in den Film hineinpackt, bleibt er reizvoll, gerade wegen des Schwebezustands, ob die Realität, die Wünsche und Gedankengebäude sich konstruktiv zusammenführen lassen oder nicht.